El Cortijo, mein Projekt

Vier Monate. Das ist die Zeit, die ich inzwischen schon auf bolivianischem Boden bin. Ein Drittel meines Freiwilligenjahres. Irgendwie… krass.
Jetzt sitze ich gerade in meinem Zimmer in der casa, da ich Ferien habe. Und das nicht zu knapp: Fast zwei Monate haben die Kinder und Jugendlichen keine Schule – damit auch ich keine Arbeit.
Ich war am Lago Titicaca, auf der Isla del Sol, im Halb-Regenwald von Coroico und in La Paz, die Stadt, von der jeder als Hauptstadt spricht…
Silvester haben wir in Tarija verbracht.

Jetzt bin ich wieder zuhause, und yeah, es fühlt sich verdammt gut an, diesen Ort hier ein Zuhause nennen zu dürfen.

Mein Projekt? Eigentlich weit entfernt. Aber es wird doch mal Zeit, darüber zu schreiben:
– El Cortijo. Das ist, was die Leute sagen.
"Centro de Formación Integral Rural 'VERA'", das ist, was die Papiere sagen.
Ich halte mich an die Menschen.


Montag. Es ist 7 Uhr morgens, und es sind keine Ferien. Ich frühstücke, Tomaten von den kleinen tiendas um unser Haus herum, mit Salz und billiger Margarine auf das immer gleiche kleine, runde Weißbrot, das es hier eben so gibt … meistens Bananenmilch, manchmal mate, immer mit wunderschöner Aussicht nach draußen auf die weit entfernten Berge und das gegenüberliegende Viertel.
Wenn ich meine Sachen von meinem wochenendlichen Stadtaufenthalt gepackt habe, geht es mit dem micro zum großen mercado campesino, schon morgens gerammelt voll, mit Marktständen und Menschen, irgendwo mittendrin fahren trufis , die zweite Sorte Bus, kleiner, unbequemer, schneller, ab. Eine gute halbe Stunde fährt man mit dem wohl in etwa, schleicht erst durch die gefüllten Straßen des campesino, dann Richtung Stadtrand und schließlich durch mal grüne, mal staubige Landschaften, Hügel auf beiden Seiten, schlängelt sich das kleine, immer voller gestopfte Gefährt gen Süden.
Irgendwann erreicht man eine kleine Brücke, schon ganz in der Nähe von Yotala, das nächste Dorf in der Nähe meines Projekts. Hier hat man zwei Möglichkeiten: Entweder man hat Glück und ein vorbeifahrendes Auto nimmt einen den Rest des Weges mit. Oder es kommt kein Auto. Dann bin ich eben auf meine eigenen Paar Schuh angewiesen und gehe die letzte halbe Stunde zu Fuß… – aber auch ganz schön, ruhig, Zeit, den Vögeln zuzuhören… die Sonne knallt.

El Cortijo ist ein Jungs-Internat. Die 200 chicos sind so zwischen 12 und 18 Jahre alt, also dementsprechend gerade in der secundario – bei uns wäre das 7. bis 12. Klasse. Es gibt im Prinzip drei große Teilbereiche in dem großen Projekt:
Einmal natürlich das Internat an sich, dort, wo geschlafen, gegessen und ausgeruht wird; abends werden im comedor, der Mensa, die Hausaufgaben gemacht.
Darüber das colegio: Klassenzimmer, Unterricht. Damit habe ich nicht besonders viel zu tun, bis auf ein oder zwei Besuche, in denen ich ein bisschen mithelfen sollte, als es um die englische Aussprache von Software-Begriffen aus der Informatik ging.
Und dann gibt es noch die Werkstätten, die sind wohl der herausragende Teilbereich des Cortijos. Die Schüler gehen also nämlich nicht nur ganz gewöhnlich zur Schule, sondern erhalten parallel dazu schon eine Ausbildung in einem handwerklichen Beruf.
Da gibt es Landwirtschaft, Tierhaltung, Elektrizität, Näherei, je eine KFZ-, Metall- und Holzwerkstatt, lácteos, wo Milch zu allerlei Milchprodukten verarbeitet wird… Die Vielfalt ist großartig und die Ausbildung schafft, denke ich, eine wirklich wertvolle Grundlage für die berufliche Zukunfst-Perspektive der Jungs.

Ich selbst habe die zehn Wochen, die ich nach Abschluss von Visum-Bürokratie und vor Beginn der großen Ferien im Cortijo verbracht habe, vormittags ebenfalls in diesen talleres verbracht und überall dort mit angepackt, wo ich es eben konnte. Ich habe Käse gemacht, Joghurt verzapft, Stromleitungen verlegt, Futterpflanzen geschnitten, Eier gesammelt, geholfen, ein Schwein zu schlachten, zugesehen, wie allerlei fehlerhafte Dinge auf dem gesamten Projektgelände repariert wurden, Türen geschliffen, Hölzer geleimt, zwei kleine Kästchen gebaut… Ich finde es grandios, dass ich dermaßen viel mitkriegen kann, was ich sonst wohl nie in meinem Leben getan hatte.
Nur habe ich bis auf diese Arbeit in den Werkstätten einfach keine weitere Aufgabe bekommen. Also helfe eben ich beim Aufdecken vorm Essen, schenke nachmittags Tee in 200 Plastiktassen und gebe Brot aus und spiele jeden Mittag mit den Arbeitern und Lehrern der Werkstätten fútsal auf der cancha. Das alles ist schön und gut, aber nichtsdestotrotz fehlte mir dann häufig eine Beschäftigung und gerade im Hinblick darauf, dass ich hier mit Kindern und Jungendlichen arbeiten wollte, hatte ich dann manchmal das Gefühl, nicht das tun zu können, für was ich eigentlich gekommen war.

Das soll sich nun aber ändern:
Wenn die Schule wieder anfängt, will ich eine Theater-AG starten, habe vor, mit Ihnen die großen Mauern um das Projekt zu bemalen und damit das fertigzustellen, was vor einigen Jahren schonmal ein Freiwilliger angefangen hat, werde wohl ein bisschen Englisch- oder sogar Deutsch-Unterricht geben…
Ich freu mich sehr drauf, und bin gleichzeitig echt auch ein wenig aufgeregt, wie diese Aktivitäten so anlaufen werden.
Dann mache ich endlich das, was ich mir unter Freiwilligenarbeit so ein bisschen vorgestellt habe und ich denke auch, dass diese Dinge mir auch die Möglichkeit geben werden, ein bisschen engeren Kontakt mit den Jungs aufzubauen.

Man darf gespannt sein.

Viele liebe Grüße,

Oliver – es folgen ein paar Eindrücke aus meinem schönen, grünen, großen Projekt.


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